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Verschiedene Materialien

Die kopflose Anna Selbdritt

FO: Große Bäckerstraße 26
dreiviertelplastische Figurengruppe
Gipsestrich, farbig gefasst; H. 21 cm
Lüneburg (?); 1. Drittel 16. Jahrhundert

Die kleine Figurengruppe mit Anna, Maria und dem Jesuskind wurde aus Gipsestrich geschaffen. Links steht Anna, rechts ihre Tochter Maria, die das nackte Kind trägt. Jesus nimmt aus einer Schale, die ihm Anna reicht, eine Frucht - einen Apfel. Einen zweiten Apfel hält er bereits in seiner anderen Hand. Die Hände der Frauen sind ungewöhnlich groß.

Annaselbdritt

Auf einem Kern trug der Künstler im Antragverfahren Masse auf, gestaltete die Körper und formte die faltenreichen Gewänder. Allen drei Figuren fehlt der Kopf, der ehemals mit kleinen Holzdübeln auf dem Rumpf befestigt war. Von der ursprünglichen polychromen Fassung sind nur Reste von Zinnoberrot erhalten. Die Borten der Gewänder waren durch rötliches Blattgold hervorgehoben. Auch die Früchte in der Schale waren vergoldet. Nur unter dem Mikroskop sind weitere vergoldete Bereiche auf dem Gewand der heiligen Anna und dem Jesuskind zu erkennen.

Auf der Rückseite der Figurengruppe befindet sich ein Holzdübel. Die Standfläche ist geritzt, um vermutlich eine größere Standsicherheit zu erlangen.

Vielleicht befand sich die Figurengruppe in einer Privatkapelle der Patrizierfamilie von Dassel. Solche Privatkapellen sind aus zwei Lüneburger Patrizierhäusern bekannt. Somit handelt es sich bei der Skulptur um ein privates Andachtsbild.

Warum es schließlich in eine Kloake geworfen wurde, ist schwer zu beantworten. Es ist kaum anzunehmen, dass die Beschädigungen - es fehlen die Köpfe und ein Arm Mariens - von einer absichtlichen Schändung des Bildes in den Wirren der Reformation herrühren. Sowohl der Annen- als auch der Marienkult brechen mit der Reformation nicht ab. Im Haushaltsinventar des Nikolaus Tzerstede sind 1578, also fast 50 Jahre nach Einführung der Reformation in Lüneburg, noch zahlreiche Marienbilder und -figuren vorhanden.

Der Künstler, der die kleine Figurengruppe schuf, ist unbekannt.

Autor: Marc Kühlborn; in: Denkmalpflege in Lüneburg 2002, 14-15.

Literatur