Objektgruppe Glas
Schalen, niederländischer Provenienz
Henkelschale 1
FO: Lüneburg, Glockenhof (Kloake 4)
farbloses Glas mit gelbgrauem Stich, kobaltblaue Auflagen, z.T. stark getrübt, geklebt,
H 6,2 cm; Ø Standring 5,5 cm; Ø Lippe 11,6 cm; Gd. 0,9 mm
Westeuropa, 17. Jh.

Die deutlichen Abnutzungsspuren am Standring und an der Lippe zeigen, dass die Schale häufig benutzt worden ist. Sie stand, mit Naschwerk gefüllt, auf der Tafel oder an einem anderen gut erreichbaren Platz, um sich daraus zu bedienen. Die schlichte Form der Schale und die Kombination von blauem und farblosem Glas machen eine Entstehung des Glasgefäßes in Westeuropa wahrscheinlich. Die Form der Henkel mit der Daumenruhe erinnert an die der Kännchen aus dem 16. und beginnenden 17. Jahrhundert (Vgl. Kännchen und Rippenkännchen), doch unterscheiden sich die Herstellungstechniken. Sind bei den Kännchen die Daumenruhen aus einem massivem Glasstab herausgekniffen, so wurden die Henkel der Schale durch Zusammendrücken des Glasbandes gebildet.
Henkelschale 2
FO: Lüneburg, An der Münze (Einzelfund)
farbloses Glas mit Graustich (Wandung) und farbloses Glas mit Grünstich (Standring), Goldblattauflage und Emailbemalung, stellenweise irisiert und korrodiert, geklebt,
H 7,6 cm; Ø Standring 7,7 cm; Ø Lippe 12,8 cm; Gd. 1,4 mm
Südniederlande, 2. H. 16. Jh.

Glasgefäße, zumeist Becher, mit Flecht- oder Quadermuster wurden während der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Nordwesteuropa, wie in Belgien und in den Niederlanden hergestellt. Gleichzeitig gehörten sie zum gängigen Repertoire deutscher Glashütten im Spessart (hier sind solche Gefäße unter dem Namen „Spechter” geläufig), im Neckargebiet, im Vogler und im Harz sowie in Thüringen. Glasgefäße mit Flecht- oder Quadermuster entwickelten sich aus den sogenannten Bandwurmgläsern. Bei diesen Exemplaren wurde ein einziger Faden „bandwurmartig” etwas unterhalb der Lippe bis zum Boden aufgelegt. Zur Herstellung eines Glasgefäßes mit Flechtdekor wurde ebenfalls um die zylinderförmige Glasblase spiralförmig ein Glasfaden gewickelt und nun in ein vertikal geripptes Model geblasen, so dass die Modelrippen den Glasfaden netzartig in kleine Quader unterteilten. Gelegentlich wurden solche Gläser wie hier zusätzlich mit Emailfarben bemalt, meist mit weißen Punkten, die sich in der Regel in den Senken zwischen den Buckeln als senkrechte Punktreihe befanden. Die zusätzlich blauen Emailpunkte und die Goldblattdekore zeichnen das Lüneburger Stück als besonders qualitätvolles Exemplar aus. Außergewöhnlich sind zudem die Verwendung des Quadermusters bei einer Schale und zudem die quergestellten Henkel.
Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 142 f. (gekürzt)