Objektgruppe Glas
Schalen, deutscher Provenienz
Glasschalen gehörten zum Repertoire auch früher deutscher Glashütten und sind bereits für das 12./13. Jahrhundert in Norddeutschland belegt. Aus den Schalen wurde nicht getrunken, vielmehr dienten sie als Blickfang auf dem festlich gedeckten Tisch und waren mit Naschwerk, Nüssen oder Früchten gefüllt. Sie treten in den Fundinventaren recht selten auf. Umso erstaunlicher ist daher die relativ hohe Anzahl von Schalen in der Stadt Lüneburg.
Die ältesten Schalen aus Lüneburg konnten dem frühen 16. Jahrhundert zugeordnet werden (siehe folgende Schale und Rippenschale).
Schale, Fragment
FO: Lüneburg, Am Sande 11-12 (Kloake)
grünblaues Glas, verwittert und teilweise korrodiert, geklebt,
H max. 7,1 cm; Ø Fußring 8,5 cm; Ø Lippe ca. 13 cm; Gd. 1,0 mm
Deutschland, 1. V. 16. Jh.
Der dekorative Fadendekor in Form mehrfach kombinierter glatter und bogenförmiger Auflagen ist recht selten. Er kommt gelegentlich auf Bechern vor, die dem Beginn des 16. Jahrhunderts zugeordnet werden. Dagegen sind einfache bogenförmige Fadenauflagen, nach oben oder nach unten gezogen, häufiger bis ins 17. Jahrhundert zu verfolgen (Vgl. Becher mit Fadendekor).
Rippenschale auf Fuß, Fragment
FO: Lüneburg
hellblaues Glas, verwittert und getrübt, geklebt,
H max. 7,7 cm; Ø Fußring 8,6 cm; Ø Lippe 15-16 cm; Gd. 2,0 mm
Deutschland, 1. V. 16. Jh.
Die recht enge Datierung dieser markanten Schale ergibt sich aus einer relativ großen Zahl vergleichbarer Becherformen, die, ebenfalls mit einem durchbrochenen Fuß versehen, in der Zeit um 1500 und kurz danach besonders häufig waren. Die bei dieser Schale verwendeten Stege zwischen Fuß und Schalenoberteil haben ihr Vorbild vermutlich in dem sogenannten Girlandenfaden, der im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts oft bei solchen Gläsern verwendet wurde.
Blaue Schale auf hohem Fuß
FO: Lüneburg, Auf dem Wüstenort (Kloake 4)
kobaltblaues Glas, teils getrübt, teils irisiert, geklebt,
H 8,9 cm; Ø Boden 8,4 cm; Ø Lippe 13,7 cm; Gd. 1,8 mm
Deutschland, 16. Jh.
Direkte Parallelen zu diesem Stück sind nicht bekannt, es reiht sich aber in die große Gruppe der optisch geblasenen Glasgefäße mit feinem Wabenmuster ein, die seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts vor allem als Becher und Krüge, später auch als Flaschen bekannt sind. Der Verlauf des Dekors macht deutlich, dass das Oberteil in eine Form vorgeblasen, herausgenommen und dann frei weiter aufgeblasen wurde. Dadurch kam es zu einer Verzerrung des Musters. Die Schale mit dem breiten Rand wird als Kredenzschale gedient haben, die, mit Naschwerk gefüllt, auf der festlich gedeckten Tafel gestanden hat.
Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 138-141. (gekürzt)