zur Startseite

Objektgruppe Glas

Becher mit Emailbemalung

Becher 1

FO: Lüneburg, Baumstraße 17 (Kloake)
farbloses Glas, stellenweise getrübt.
Emailbemalung, z.T. verblasst oder korrodiert
Goldblattauflage größtenteils abgerieben, geklebt,
H 13,8 cm; Ø Fuß 6,2 cm; Ø Lippe 8,8 cm; Gd. Lippe 2,2 mm,
Böhmen, datiert 1597

Becher mit Emailbemalung 1

Gekerbter Standring. Leicht konische Wandung. Weiße Emailbemalung: Arkadenfries mit eingestellten Punkten, darüber Kettenborte mit eingestellten Punkten und zuoberst Punktreihe. Rote und blaue Horizontallinien über und unter der Kettenborte sowie über dem Spruchband. Spruchband „GOT · MIT VNS · ALLEN · 1 · 5 · 9 · 7 ·” in verschiedenen Farben: Weiß (GOT, VNS), Blau (MIT), Gelb (ALLEN), Hellgrün (1597). Goldblattband unter Punktreihe. Lippe kaum verdickt.

Der recht große Becher gehört zum Genre der „Vivat”- oder Willkomm-Becher (Vgl. Willkomm-Berkemeier), die zur Begrüßung oder in lockerer Runde gereicht - und geleert - wurden. Die Variationen der Motive und Sprüche auf solchen Gläsern sind sehr zahlreich; bei diesem Becher fällt auf, dass der recht einfache Spruch mit verschiedenen Dekorelementen verziert und aufgewertet wurde. Überhaupt stehen die Ausführungen von Spruchband und Dekoren im Widerspruch. Während die Dekore allesamt sehr sorgfältig und exakt gesetzt sind, schien der Glasmaler mit der Unterbringung der Inschrift einige Schwierigkeiten gehabt zu haben. Die Buchstaben sind nicht gleich groß und das „ALLEN” wurde nur noch hineingequetscht. Als Herkunft des Glasgefäßes lässt sich Böhmen annehmen. Dafür spricht zum einen die Form des Bechers mit dem gekerbten Standring - vergleichbar den blauen Bechern mit ähnlichen Dekor-Elementen aus dem Victoria and Albert Museum in London sowie aus der Leningrader Ermitage, datiert 1601 bzw. 1604 - zum anderen die auffällige Kettenborte mit den eingestellten Punkten, die auf böhmischen Gläsern häufig vorkommt.

Becher 2

FO: Lüneburg, Lünertorstraße 4 (Kloake 2)
farbloses Glas, bunte Emailfarben, stark irisiert und korrodiert,
Farben weitgehend korrodiert und verändert oder abgeblättert, geklebt und ergänzt,
H 14,6 cm; Ø Fußring 7,3 cm; Ø Lippe ca. 9,5 cm,
Deutschland oder Böhmen, Mitte 17. Jh.

Becher mit Emailbemalung 2

Angesetzter gekerbter Standring. Boden leicht hochgestochen. Annähernd gerade Wandung mit geweiteter Mündungspartie. Lippe kaum verdickt. Von der Bemalung erkennbar: zuoberst gelbe Kettenborte, eingefasst mit blauen Horizontallinien und ehemals weißen, jetzt braun korrodierten Punktreihen. Im Bildfeld Darstellung einer Frau und eines Mannes, einander anblickend. Zwischen den Personen, auf der Rückseite und Abschluss des Bildstreifens nach unten durch florale Motive. Konturenfarben Rot und Schwarz. Farben durch Korrosion z. T. verändert: Blau zu Hellgraublau, Grün zu Weiß, Weiß zu Rotbraun, Rot zu Braun. Großflächige Fehlstellen (jetzt ergänzt und bemalt) des Bechers lassen eine Deutung der Darstellung nur schwer zu. Fehlende Inschriften noch Jahreszahl geben Anhalt für eine Interpretation. In jedem Fall handelt es sich um ein personenbezogenes Motiv eines sich gegenüberstehendes Paares, bei dem der Mann der Frau etwas zeigt oder überreicht, was leider nicht mehr erhalten ist. Vermutlich handelt es sich um einen Freundschafts- oder Erinnerungsbecher, mit dem an einen bestimmten Tag oder an ein besonderes Ereignis gedacht werden sollte. Die Handhaltung des Mannes spricht dafür, dass er seiner Frau mit einem Glas zuprostet, so wie es auf vergleichbaren Bechern zu sehen ist. Die gesamte Szene spielt, wie sehr oft auf solchen Gläsern, offenbar in der Natur, worauf Blüten und Blätter sowohl zwischen den Personen als auch auf der Rückseite des Bechers hinweisen sowie der als Grünfläche zu interpretierende Boden, auf dem die Personen stehen. Kleidung und Haartracht des Paares lassen sich dem mitteldeutsch-böhmischen Gebiet um die Mitte des 17. Jahrhunderts zuweisen. Der an solchen Gläsern eher ungewöhnliche gekerbte Standring (die Regel sind glatte Standringe mit aufgemalten Strichen oder Punkten) deutet ebenfalls diese Zeitstellung an.

Zwei Becher mit Emailbemalung

FO: Lüneburg, Grapengießerstraße 7-8 (Einzelfund)
hellgrünes Glas, bunte Emailfarben, geklebt,
H max. 10,4 cm; Ø Lippe 7,3 cm; Gd. 0,7 mm,
Deutschland, datiert 1625

2 Becher mit Emailbemalung

Fragmente von zwei Gläsern. Zylindrischer, leicht tonnenförmiger Gefäßkörper, im oberen Bereich leicht einziehend. Lippe verdickt. Emailfarben noch gut erhalten. Bemalung: zuunterst weißer Bogenfries mit eingestellten weißen Kreuzen, darüber je eine rotbraune, gelbe und blaue Horizontallinie; 2 cm unterhalb der Lippe je eine blaue, gelbe und rotbraune Horizontallinie zwischen zwei weißen Punktreihen; Bildfeld mit Darstellung einer Reh-, bzw. einer Hirschjagd. Schrift: „ANNO DOMINI 1625”. Farben: Weiß (Punktreihen, Bogenfries mit Kreuzen, Schrift, Hunde), Rotbraun (Horizontallinien, Reh, Hirsch), Hellbraun (Hunde, Konturen bei weißen Hunden), Gelb (Horizontallinien), Blau (Horizontallinien, Baumstämme!), Grün (Flora), Cremeweiß (Konturen bei Reh, Hirsch und hellbraunen Hunden), Orange (Hirschgeweih).

Die Fragmente der hohen Becher gehörten sicherlich zu einem, mindesten aus zwei Gläsern bestehenden Set mit ähnlichen und sich ergänzenden Motiven. Glasmasse, Bildaufbau, Gestik der Tiere und Verwendung der Farben (insbesondere das Blau für die Baumstämme ist außergewöhnlich) sind absolut gleich, so dass man davon ausgehen kann, dass beide Becher nicht nur aus derselben Hütte stammen, sondern auch von nur einem Glasmaler bemalt worden sind. Jagdszenen gehörten zu den typischen Motiven der emailbemalten Gläser des 16. und 17. Jahrhunderts, die in vielen Glasbetrieben Mitteleuropas hergestellt wurden.

Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 86-89. (gekürzt)