Objektgruppe Keramik
Sonderformen
Olivenamphoren aus Spanien

Im Fundmaterial der Stadtarchäologie Lüneburg befinden sich drei Gefäße, die zunächst wie Keramik der ur- und frühgeschichtlichen Perioden anmuten. Es handelt sich aber um drei eiförmige, amphorenähnliche Flaschen, deren Einordnung nur über Umwege nach Mittelamerika möglich ist. Dort finden sich in den ehemaligen spanischen Kolonien zahlreiche Vergleichsexemplare zu den Lüneburger Fundstücken. Dementsprechend können die drei Gefäße als Olivenamphoren (Tinajas, Peruleras oder Botijas) angesprochen werden.
Diese Amphoren wurden hauptsächlich von Sevilla aus verschifft, und in großen Mengen in der Umgebung Sevillas hergestellt. Ein weiteres Produktionsgebiet liegt etwas nördlicher und reicht vom spanischen Mérida im Osten bis zur portugiesischen Region Alentejo und Lissabon im Westen. Somit sind diese Gefäße nicht nur in Spanien, sondern auch in Portugal entstanden, was dazu führt, dass man besser von iberischen Olivengefäßen sprechen sollte.
Über einen Zeitraum von etwa 350 Jahren von ca. 1500 bis in die Zeit um 1850 wurden diese Amphoren dort gefertigt. Dabei wird die Produktion in drei Perioden unterteilt, die sich in Gefäßform, Handhaben und Randgestaltung unterscheiden. Die Lüneburger Exemplare gehören nach allen drei Kriterien zur mittleren Periode die von ca. 1580 bis 1800 reicht. Obwohl die Masse der Gefäße unglasiert sind, kommen häufiger glasierte Exemplare vor. Die drei Lüneburger Stücke sind innen mit einer braun-grünen Glasur wasserdicht gemacht worden. Eines der Gefäße trägt zusätzlich eine flächige Glasur auf Außenseite.

Bislang sind Gefäße dieser Art in hauptsächlich in Mittelamerika und in den ehemaligen spanischen Besitzungen in den USA gefunden worden. Mittlerweile sind aber auch außerhalb des direkten spanischen Einflussgebiets zahlreiche Exemplare aufgetaucht. Aus Jamestown in Virginia liegt inzwischen auch ein Exemplar aus der Zeit um 1620 vor. In Europa spielen Großbritannien und die Niederlande eine besondere Rolle. In Großbritannien sind sie bereits seit über 30 Jahren im Fokus der Forschung, entsprechend oft, wurden Fragmente zu dieser Gefäßgruppe zugeordnet. In den Niederlanden sind gleichfalls zahlreiche Fundorte bekannt, dies liegt auch an der spanischen Einflussnahme in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert. Spanische Soldaten brachten diese Gefäße während des 80-jährigen Krieges in die Niederlande. Entlang der Nordseeküste erreichten die Gefäße auch Skandinavien, so sind aus Ribe, Søre Sunde bei Stavanger, Bergen und Trondheim Amphoren bekannt.
Mittlerweile liegen auch aus zahlreichen norddeutschen Städten Olivenamphoren vor, so sind neben Lüneburg, Amphoren in Emden, Bremen, Hamburg und Köln gefunden worden.
In Hamburg brachten die Untersuchungen in der Hafencity mehrere Bruchstücke zu Tage. Ein Bremer Exemplar stammt aus einer Baugrube in der Altstadt, das andere stammt aus einer alten Privatsammlung, der genaue Fundort ist hier unbekannt, eine bremische Herkunft ist aber gesichert.
Die Lüneburger Gefäße sind unterschiedlich gut erhalten. Während ein Gefäß stark zerscherbt ist und nur zu ca. 50% erhalten ist, zeigt das andere, größere Gefäß keine Beschädigung (siehe Abb. oben). Das kleinere Gefäß wurde in den 60er Jahren in einer Kloake in der „Großen Bäckerstr. 6/7” gefunden; das andere Gefäß läßt sich keinem Fundort mehr zuweisen, sehr wahrscheinlich stammt es aber gleichfalls aus einer Kloake, wie anheftende Sedimentreste nahelegen. Vermutlich gelangte es bereits vor dem Krieg in den Besitz des Museums; die Kataloge und Inventare dieser Zeit sind einem Bombenangriff zum Opfer gefallen, so dass wir heute nur noch das Objekt selbst besitzen. Beide Gefäße sind im Inneren mit einer braun-grünen Bleiglasur versehen.

Eine dritte auch außenglasierte Amphore wurde 2002 in einer Kloake „Bei der St. Johanniskirche 19” entdeckt. Der Gefäßkörper ist zu ca. 40% erhalten, während der Rand leider völlig fehlt.
Während die Kloake aus der „Großen Bäckerstr.” durchaus einem patrizischen bzw. großbürgerlichen Umfeld zugeordnet werden kann, ist der letzte Fundort eher einem Handwerkerhaushalt zuzuschreiben. Allerdings fanden sich auf dieser Fundstelle auch eine elfenbeinerne Sonnenuhr sowie andere Importgegenstände, die man eher einem begüterten Haushalt zuweisen würde.
Die Amphoren wurden für verschiedene Zwecke eingesetzt. Wie in der Antike wurden in diesen Amphoren Flüssigkeiten wie Wein und Olivenöl transportiert. Aber auch die Nutzung für Oliven, Pflaumen, Kapern, Bohnen, Kichererbsen, Honig, Schmalz, Teer und selbst Bleigeschosse ist nachgewiesen.
Häufig bezieht sich das Volumen auf die kastilische Arroba, die 12,56 l fasste und mit ihren Halb- und Viertelmaßen als ein Standardmaß in der spanischen Welt galt. Die Lüneburger Stücke passen mit ca. 3,5 l und knapp 4 l nicht direkt in dieses Schema, sind sie doch zu groß, bzw. zu klein um ein Viertel, bzw. Drittel der Ausgangsgröße darzustellen. Allerdings ist dies kein Widerspruch, da die Arroba hauptsächlich für offizielle Zwecke verwendet wurde, insbesondere steht die Maßeinheit in Zusammenhang mit dem spanischen Militär und der Marine. Gefäße die nicht diesem Maßsystem entsprechen sind wohl „zivil” genutzt worden.
Es stellt sich nun die Frage wie diese Gefäße nach Lüneburg gelangt sind. Lüneburg und der Hanseraum waren seit dem Mittelalter in ein festes Fernhandelsnetz integriert. So gelangten Waren aller Art aus der damals bekannten Welt in unsere Region. Als Beispiel seien nur Pfeffer aus Ostasien, Reis aus Italien und schließlich im 17. Jahrhundert Porzellan aus China und Fayence aus Portugal genannt.
Egal, ob darin eine Flüssigkeit oder feste Ware transportiert wurde, der Inhalt wird hier als Luxusware gegolten und nur einer kleinen Oberschicht zur Verfügung gestanden haben. Über den Gebrauch von damals exotischen Lebensmitteln wie z.B. Rosinen berichten uns Haushaltsinventare. So führt das Nachlassinventar des Patriziers Niclaus Tzerstede aus dem Jahr 1578 „Pütte” und „Tunneken” (Pötte und Tönnchen) mit „Eingemachte Nüssen, Corinthen, Schnegken und Peiomenten” (Piment) auf. Ebenso haben wir aus Kloakenmaterial den botanischen Nachweis für Feigen, Maulbeeren, Pfeffer, Reis und Weinbeeren (Rosinen). Dies sind alles Importgüter, die durchaus in den eben beschriebenen Gefäßen nach Lüneburg gelangt sein könnten.
Letztendlich wissen wir nicht genau, ob die Gefäße mit ihrem ursprünglichen Inhalt nach Lüneburg gelangt sind, dafür ist dieser Gefäßtyp zu selten gefunden worden, oder ob er sekundär genutzt in die Salzstadt kam. Im Umfeld der Kloake „Bei der St. Johanniskirche 19” ist es denkbar, dass das Gefäß sekundär genutzt wurde, nach der ursprünglichen Nutzung, kann es noch eine Weile gut als Vorratsgefäß gedient haben, bevor es dann in der Kloake entsorgt wurde.
Autor: Marc Kühlborn; in: Denkmalpflege in Lüneburg 2008, 39-42. Download PDF (290 KB)
Literatur
- Avery 1997: George Avery, Pots as Packaging: The Spanish olive jar and Andalusian Transatlantic Commercial Activity, 16th–18th centuries. [Dissertation (Ph. D.), University of Florida].
- Bischop 2002: Dieter Bischop, Spanisches Öl. Archäologie in Deutschland, 2002-1, 44.
- Först 2006: Elke Först, Zerbrochen und Weggeworfen. In: Rainer-Maria Weiss (Hrsg.): Der Hamburger Hafen: Das Tor zur Welt im Spiegel archäologischer Funde, Hamburg 2006, 39-74.
- Stilke 1994: Henning Stilke, Eine iberische Olivenamphore aus Emden. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland 17, 1994, 61-70.
- Wiethold 2000: Wiethold 2000: Julian Wiethold, So nym witten ingever, muschatenblomen, paradiseskorne unde neghelken unde stod tosammende… Der archäologische Nachweis von Gewürzen im frühneuzeitlichen Lüneburg. Denkmalpflege in Lüneburg 2, 2000, 29-36. Download PDF (1,2 MB)
Siehe auch: Keramik aus Portugal und Spanien in Lüneburg