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Pollen aus dem „stillen Örtchen”

Pollenanalysen an Kloakeninhalten aus Lüneburg

Julian Wiethold

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Ziegelkloake, Auf der Altstadt 29
Lüneburg, Auf der Altstadt 29. Im hinteren Grundstücks­bereich konnte eine große Ziegelkloake freigelegt werden, deren Sedimente pollenana­lytisch untersucht wurden.

Kloaken gehören zu den spannendsten Ausgrabungs­befunden in den mittelal­terlichen Stadtkernen norddeutscher Städte. Sie liefern meist nicht nur reiche Keramik- und Glasfunde, die ursprünglich mit den Abfällen entsorgt wurden, sondern zeichnen sich auch durch eine gute Erhaltung verschiedener organischer Materialien aus. Die Lage vieler Kloakenschächte im Einfluss­bereich des Grundwassers und die kompakte Lagerung der Fäkalienschichten verhindern eine Durchlüftung der Kloaken­sedimente, so dass die Zersetzung gehemmt wird und in vielen Fällen ausgezeichnete Erhaltungs­bedingungen für organische Materialien gegeben sind.

Bei archäobo­tanischen Analysen werden nicht nur unverkohlte botanische Makroreste, also Samen und Früchte, Steinkerne und Moose untersucht, sondern auch der Pollengehalt der Kloaken­sedimente. Subfossile Pollen­körner gehören zu den Mikroresten, da sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Die Pollenan­alysen ergänzen die botanischen Makrorest­analysen, da durch sie weitere Kultur- und Wildpflanzen nachgewiesen werden können. Außerdem werden bei den Pollenanalysen auch die Eier von verschiedenen Eingeweide­parasiten in den Fäkalien erfasst.

In Lüneburg wurden pollen­analy­tische Untersuchungen an Kloaken­inhalten von den Grundstücken „Auf dem Wüstenort” und „Auf der Altstadt 29” durchgeführt. Die Kloaken lagen in der Regel im rückwärtigen Grundstücks­bereich in einem Verschlag oder Anbau. Es handelt es sich um große, gemauerte Ziegelkloaken des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, die in den vergangenen Jahren von der Lüneburger Stadtarchäologie untersucht werden konnten. Pollen gelangt unbeabsichtigt mit den Fäkalien in die Kloake. So enthält das nur grob geschrotete Mehl stets auch eine große Menge Getreidepollen. Roggenpollen war in den beiden Kloaken besonders häufig, da die äußere hartschalige Wand der Pollenkörner nicht verdaut, sondern mit den Fäkalien wieder ausgeschieden wird. Auch Honig, den man zum Süßen vieler Speisen schätze, sorgte für den Eintrag von Pollenkörnern. Ferner kann Pollen durch viele andere Aktivitäten in die Kloake gelangt sein, beispiels­weise mit Küchen- und Garten­abfällen, Kehricht, mit dem Dung von Tieren oder mit Moosen und Stroh, die als frühneu­zeitliches Toiletten­papier dienten.

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