Die trockene Trunckenheit
Teil 2: Das Rauchen im archäologischen Kontext
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Dem Archäologen erschließt sich das Phänomen des Tabakrauchens in erster Linie durch die Tonpfeifen. Im Zuge der Entwicklung des Tabaks vom Heil- zum Genussmittel stieg die Produktion von Tonpfeifen stetig an. Die Versorgung mit Tabak und Tonpfeifen scheint in England gegen Ende des 16. Jhs. schon so gut gewesen zu sein, dass ein deutscher Gelehrter auf seiner Englandreise 1598 erstaunt feststellte, Tonpfeifen zu rauchen sei bereits Allgemeingut.
Mit englischen Emigranten und Religionsflüchtlingen gelangte um 1603 die Technik der Pfeifenherstellung in die Niederlande. Anfangs wurden die notwendigen Pfeifen noch im Nebenerwerb produziert, doch schon zu Beginn des 17. Jhs. entstanden die ersten Pfeifenbäckereien in Amsterdam (1607), Gouda und Dordrecht (beide 1617). Vor Ablauf des Jahrhunderts war die Zahl der Pfeifenbäckereien in den Niederlanden auf 32 angewachsen.
Der weiß brennende Pfeifenton musste zunächst aus England, später aus Lüttich, Namur und aus dem Großraum Köln importiert werden, da er im eigenen Lande nicht anstand. Um die wachsende Nachfrage in Deutschland zu befriedigen, entstand auch hier eine große Anzahl von Pfeifenbäckereien.
Wenn seit der Mitte des 18. Jhs. die betuchten Pfeifenraucher auch dazu übergingen, nicht mehr aus einfachem Ton, sondern zunehmend aus Meerschaum, Porzellan, Holz oder kostbaren Materialien wie Silber oder Glas zu rauchen, blieb die Tonpfeife doch das Rauchinstrument des „einfachen Mannes”.
Die Zigarre, Symbol für „Gemütlichkeit” und „Biederkeit”, verdrängte schließlich seit der Mitte des 19. Jhs. die Tonpfeife, die nur noch im ländlichen Bereich geschmaucht wurde.
Die Formen der Tonpfeifen
Zahllose Bruchstücke von Tonpfeifen, die besonders bei Ausgrabungen in Städten zum Vorschein kommen, müssen nach Alter und Herkunft bestimmt werden. Mehrere Kriterien werden berücksichtigt: die Kopfform der Pfeifen, Verzierungselemente und die Kennzeichnung der Pfeifen durch Marken und Stieltexte.
Aufbau einer Tonpfeife
- 1. Kopf
- 2. Hals
- 3. Stiel
- 4. Ferse
- 5. Mundstück
- 6. Innenmarke
- 7. Fersenmarke
- 8. Fersenseitenmarke
Kopfformen
Je nach technischen Möglichkeiten und den modischen Forderungen gestaltete der Pfeifenbäcker den Kopf der Pfeife. Die Verfügbarkeit des Tabaks bestimmte die Größe des Kopfes. Das Ziel der Pfeifenbäcker war, einen dünnwandigen Kopf zu formen. Anhand des typologischen Studiums lassen sich fünf Basistypen bestimmen:
- Doppelkonischer Kopf,
- Trichterkopf,
- ovaler oder ovoider Kopf,
- krummer Kopf,
- Rundbodenkopf oder Kopf ohne Ferse.
Diese fünf Basismodelle bilden eine Serie chronologischer Folge.
Marken
Die interessantesten Informationen zu Alter und Provenienz tragen die Pfeifen häufig direkt aufgeprägt.
Gleich seit der ersten Generation setzten die Pfeifenbäcker Marken auf die Pfeifenköpfe, überwiegend auf die Ferse. Der Grund dieser Kennzeichnung lag zunächst in der Rivalität der Pfeifenbäcker.
Die frühesten Marken sind einfache geometrische Muster, die in Hartholz eingeritzt oder eingeschnitten wurden.
Im 17. Jh. war das Stempeln der Pfeifen allgemein gebräuchlich, die Pfeifenbäcker waren aber nicht an die Regel gebunden.
Die Zuschreibung der Marken ist für das 17. Jh. teilweise schwierig, da keine Markenlisten erhalten sind. Seit Einrichtung der Gilde in Gouda im Jahre 1660 waren die Werkstätten an eine Marke gebunden. Neben dem Initial- und Figurenmarken wurden nun – bedingt durch das Anwachsen der Werkstätten – auch Ziffernmarken gesetzt. Durch die Markenregistratur der Goudaer Marken ist eine Zuweisung teils möglich, die Registratur ist allerdings unvollständig.
Probleme der Zuweisung bereitet der zum Teil generationenlange Gebrauch der Marken, die auch Händlermarken sein können. Weiterhin wurden Goudaer Marken häufig imitiert.
Im 19. Jh. schwand die Bedeutung der Marken, da nun bei den kurzstieligen Pfeifen die Originalität der Pfeifenform wichtig wurde.
Siehe auch:
- Tonpfeifen – Leitfossil der Neuzeitarchäologie (Magazin-Text)
- Tabak und Tonpfeifen im südlichen Ostseeraum und in Schlesien (Sonderausstellung)
- Online-Texte:
Martin Kügler, Tonpfeifen – Leitfossil der Neuzeitarchäologie, Denkmalpflege in Lüneburg 2002, 52–53. Download PDF (220 KB) - Martin Kügler, „In Schlafkammern und Stuben kein Taback.” Tonpfeifen aus dem Töpferhaus. In: Ton Steine Scherben. Ausgegraben und erforscht in der Lüneburger Altstadt, hrsg. v. Frank Andraschko u.a. (De Sulte 6), Lüneburg 1996, 136-148. Download PDF (1,25 MB)
Externe Links zum Thema
- externes Verweisziel: Text auf „Pfeife und Tabak” Die Tonpfeifen – eine kleine Betrachtung über einen zerbrechlichen Gegenstand von Joachim Acker („Pfeife und Tabak”)
- externes Verweisziel: Fotoarchiv Reemtsma Rauchzeichen – Vom Tabak zur Zigarette, Fotoarchiv der Reemtsma Cigarettenfabriken
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