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Objektgruppe Metall

Johannes aus Limoges

FO: St. Lambertikirche
Emailbeschlag
Kupfer, feuervergoldet, Grubenemail
H. 6,5 cm/ B. ca. 2,5 cm
Limoges, ca. 1215-1230

Gegen Ende der letzten Grabungskampagne auf dem Lambertiplatz im Jahre 2000 wurde ein unscheinbarer Gegenstand zu Tage gefördert. Seine Form erinnerte zunächst an einen Flaschenöffner. In den Restaurierungswerkstätten des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege kam nach einem behutsamen und langwierigen Restaurierungsprozess unter der grünen Korrosionsschicht ein ungewöhnlicher Emailbeschlag zum Vorschein.

EmailbeschlagDie Figur hat den Kopf mit welligem Haar leicht nach rechts geneigt, ein Strahlenkranz aus blauem Email umgibt den Kopf. Die Strahlen des Nimbus sind durch eine gravierte Linie betont. Eine weitere Linie begleitet den kreisförmigen Hintergrund. Der Körper der Figur ist leicht konvex ausgebildet. Stege, die Arme und den Faltenwurf eines Gewandes andeuten, umschließen Gruben, die ebenfalls mit blauem Email gefüllt sind.

Zwei Löcher durchbrechen den Körper der Figur, diese dienten offensichtlich der Befestigung. Auf der Rückseite der kleinen Figur ist zu erkennen, dass ein Niet den separat auf die konvexe Kupferplatte gesetzten plastisch ausgebildeten Kopf hält.

Zwischen den beiden Befestigungslöchern befindet sich die römische Ziffer I, die darauf verweist, dass diese Applikation Teil einer Serie war.

Die Figur war ursprünglich an einem Kreuz befestigt. Nur wenige dieser ca. 30–80 cm hohen Kreuze besitzen heute noch an den vier Enden der Kreuzbalken die Applikationen. Häufiger werden die Beschläge einzeln angetroffen. Sie stellen u.a. Maria, Johannes und Petrus dar.

Der Lüneburger Beschlag war ursprünglich auf dem von vorn gesehen rechten Arm eines Kreuzes befestigt und stellt den Lieblingsjünger Johannes dar.

Rekonstruktion des Kreuzes
Rekonstruktion des Kreuzes

Die Arbeit stammt mit Sicherheit aus einer der großen Emailwerkstätten in Limoges. Hier wurden seit dem 12. Jahrhundert Metallplatten mit ausgehobenen Gruben versehen, in die bei Temperaturen von 700–800° C farbige Glasmasse eingeschmolzen wurde (émail champlevé). Die klassische Gestaltung des Kopfes, der als Halbrelief auf den Nimbus genietet ist, erlaubt eine Datierung an den Anfang des 13. Jahrhunderts (ca. 1215-1230).

Wie kam der kleine Beschlag, der ein kostbares Kreuz zierte, in den Untergrund der St. Lambertikirche in Lüneburg? Er wurde zu einer Zeit gefertigt, als das Gotteshaus noch nicht erbaut war. Vielleicht befand sich ein Kreuz aus den Werkstätten von Limoges zunächst im Kloster St. Michael auf dem Kalkberg oder in St. Cyriakus oder St. Johannis, bevor es in die große und reich ausgestattete Kirche der Sülfmeister kam.

Autor: Edgar Ring; in: Denkmalpflege in Lüneburg 2002, 71-73.

Literatur

Weitere St. Lamberti-Berichte:  Ausgrabung einer untergegangenen Kirche