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Objektgruppe Glas

Becher auf kurzem Stiel

Als Becher mit Stiel werden Trinkgläser bezeichnet, die zwischen Bechern und Kelchgläsern stehen. Zu deren Herstellung wurden geläufige Becherformen, vornehmlich des späten 15. und des 16. Jahrhunderts, durch einen Fuß und darauf gesetzten kurzen Stiel erhöht. Standringähnliche Ansätze an den unteren Partien der Oberteile, die nun ihren ursprünglichen Sinn verloren haben und nun reiner Dekor sind, machen dies deutlich.

Obwohl Kelchgläser aus archäologischen wie bildlichen Quellen bereits für das 13. Jahrhundert bekannt sind und parallel zu Bechern benutzt wurden, haben die zum Teil skurrilen Becher auf Stiel ihren festen Platz im Gläsersortiment Mittel- und Nordeuropas vor allem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Variationsbreite an Kelchgläsern und Bechern auf Stiel ist in der Zeit zwischen etwa 1480 und 1550 besonders hoch. Zum Teil gibt es eigene Formen, die aufgrund ihres längeren Schaftes als Kelchgläser anzusprechen sind, dann solche, bei denen zeittypische Becherformen wie Krautstrünke oder Berkemeier durch einen Fuß mit kurzem Stiel erhöht wurden und schließlich Mischformen, die allgemein als Becher auf Stiel bezeichnet werden können.

Becher auf Stiel

FO: Lüneburg, Auf dem Wüstenort (Kloake 3)
dunkelgrünes Glas, geklebt,
H 12,3 cm; Ø Fuß 6,2 cm; Gd. 1,6 mm
Deutschland, 1. H. 16. Jh.

Becher auf Stiel
9fach gewickelter und hochgezogener Fuß. Glatter, massiver Schaft. Hohe Kuppa mit gekerbter Fadenauflage am Kuppaboden. Lippe nicht verdickt.

So auch das vorgestellte Exemplar, das eine gerundete Kuppa aufweist, im unteren Bereich jedoch ganz in der Art der gestielten Becher gefertigt wurde. Der kragenförmige Dekor am Kuppaboden, der als plastischer Faden aufgelegt, ausgezogen und gekerbt wurde, findet sich als Fußring an vielen Bechern des 15./16. Jahrhunderts und gibt damit ein markantes Beispiel für die Kelchglas-/Becher-Variationen jener experimentierfreudigen Zeit.

2 Becher auf kurzem Stiel, Fragmente

Becher auf kurzem Stiel
Deutschland, 1. V. 16. Jh.

a) FO: Lüneburg, An der Münze 4-6 (Kloake)
grünblaues Glas, stellenweise korrodiert,
H 4,6 cm; Ø Fuß 6,6 cm; Gd. 1,2 mm

b) FO: Lüneburg, Große Bäckerstraße 22 (Kloake)
grünes Glas, stellenweise korrodiert,
H 4,8 cm; Ø Fuß 5,9 cm; Gd. 1,4 mm

a) und b) Durchbrochener Fuß: kreisförmig gekniffener Faden, Girlandenfaden, mehrfach gewickelter Faden. Kurzer massiver Stiel. Ansatz von Oberteil.
b) zudem: Gekniffene Fadenauflage am Boden des Oberteils.

Die Oberteile der beiden gezeigten Füße bestanden vermutlich aus becherförmigen Hohlglasformen. Beim Fragment b) ist eine Deutung als Nuppenbecher auf kurzem Stiel möglich, worauf die gekniffene Fadenauflage hinweist, die sich häufig an nuppenbesetzten Becherformen dieser Zeit findet. Dagegen bleibt die Frage nach der Gesamtform des Glasgefäßes a) unbeantwortet. Die kurzlebigen Dekorformen wie der durchbrochene Fuß und der Girlandenfaden in Verbindung mit dem kurzen Stiel sind relativ gut zu datieren, sie lassen sich an den Beginn des 16. Jahrhunderts setzen.

Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 12 u. 110 f. (gekürzt)